

an urban field trip
Im großen und ganzen ist das öffentliche Verkehrsnetz von Cleveland und der" Greater Metropolitan Area" recht gut ausgebaut. Die Stadt und die RTA versuchen im Moment, das öffentliche Verkehrssystem zu verbessern, um die verschiedenen Stadtteile, die teils durch Leerstand getrennt sind, zu verbinden.
Im Moment wird entlang der Euclid Avenue mit Hilfe eines Zuschusses vom "Federal Government" rund 200 Millionen Dollar in öffentliche Verkehrsmittel investiert, die Downtown mit der Cleveland Clinic und dem University Circle im Osten besser verknüpfen und Downtown attraktiver für neue Investoren machen sollte (http://euclidtransit.org/home.asp).
Die Stadtverwaltung sieht in Zeiten von steigenden Benzinpreisen neue Chancen für Cleveland in einem gut ausgebauten öffentlichen Verkehrssystem und viele glauben, dass die Energiekosten ein Level erreichen werden, dass das Ausdehnen der Suburbs eindämmen kann und dass eine Welle des "Wieder in die Stadt ziehen" eintreten wird.
Weit außerhalb der Stadtgrenzen, auf ehemaligen Wäldern und Farmen, entstehen großflächig neue "Developements". Brachliegende Grundstücke, erschlossen durch geschlungene Straßen, warten mit ihren "For Sale" Schildern darauf, dass Käufer aus den älteren Suburbs sie von ihrem Dornröschenschlaf erwecken und die Vorgärten der neuen "Mc Mansions" sie in eine neue Ära führen. Vorbei ist das Dahinvegetieren als Ackerland. Nun wird es Zeit, in den gehobenen Ring der neuen Suburbs aufzusteigen, eine "Neighborhood" zu werden, geprägt von großen Häusern mit Doppelgaragen für die geleasten SUV´s, von frischem, vertilisiertem Grün der Gärten und Büschen und Bäumen auf denen Kinder klettern.
Aber die Grundstücke warten immer öfter und immer länger auf einen Käufer, der sie in eine bessere Zukunft führt. In Zeiten von "Foreclosure" und "Housing Market Crisis" ist es nicht leicht, sein altes Haus zu verkaufen oder einen Kredit für ein Neues zu bekommen und die Benzinpreise klettern fast schon stündlich in die Höhe. Der Großteil der Bevölkerung der neuen Exurbs arbeitet in der bis zu 40 Meilen entfernten Stadt und das Pendeln von dem Wohnort zum Arbeitsplatz wird für viele zu einem finanziellen Problem.
Trotz der schlechten Lage des Immobilienmarktes und den steigenden Energiekosten ist das Haus am Rande der urbanen Siedlungsstruktur für viele die Erfüllung ihres "American Dream".
Für den Historiker Frederick Jackson Turner liegt der Ursprung der "American Identity" in der Pionierszeit und dem Weitertreiben der Grenze Richtung Westen. In seinem Aufsatz von 1893 The Significance of the Frontier in American History beschreibt er, wie wichtig diese Zeit der Entdeckungen und Abenteuer für die Bildung einer amerikanischen Identität war. Die amerikanischen Pioniere zogen immer weiter nach Westen und trieben die Frontier immer weiter in unbekanntes Land, angetrieben durch die Hoffnung auf Unabhängigkeit und ein besseres Leben. In der Einsamkeit der rohen Natur wurden Helden geschmiedet, die von dem Drang erfüllt waren, neue unbekannte Gebiete zu entdecken. Den Abenteurern folge die Frontier und der Frontier die Zivilisation mit dem "Post Office", den Farmern, den Priestern, der Eisenbahn und den Spekulanten.
Ende des 19. Jahrhunderts, nachdem der Westen erschlossen war, wurde das Ende der Frontier erklärt. Aber die Geschichten über die Abenteurer und Helden überdauerte die Zeit. Der Gedanke, dass am Rande der Zivilisation die Freiheit zum Greifen nahe scheint, lebte in den Köpfen einer Nation weiter und bildete sich für viele zu einem Traum, dem Traum ein eigenes Grundstück mit einem Haus zu besitzen, am Rande der urbanen Gesellschaft, weit draußen auf dem "Waiting Land", der neuen Frontier.
Cleveland war im frühen 20 Jahrhundert Ziel für viele Einwanderer aus Mittel- und Osteuropa.
Ein Großteil der Immigranten fand Arbeit in den Industriebetrieben der Stadt und es entstand eine weiße Arbeiterklasse mit ihren eigenen Vierteln wie "Little Italy" oder "Slavic Village" östlich und südlich vom Stadtzentrum. Durch die gute wirtschaftliche Lage Clevelands in den 1940ern und in den Nachkriegsjahren stiegen die Löhne der Arbeiter.
Zur gleichen Zeit erleidet der Süden der USA große wirtschaftliche Einbußen. Eine große Zahl der afro-amerikanischen Bevölkerung verlässt die wirtschaftlich niedergeschlagenen südlichen Bundesstaaten und zieht mit der Hoffnung auf einen besseren Job in die nördlichen Industriezentren. Zwischen 1940 und 1970 findet in den USA die "Great African-American Migration" statt, die in den nördlichen Städten zu einer Umschichtung der Bevölkerungsstruktur führt. Mithilfe günstiger Finanzierungsmöglichkeiten durch die "Federal Housing Administration" zogen immer mehr Angehörige der weißen Arbeiterklasse von ihren Häusern in Downtown aus und leisten sich ein neues, größeres Haus in den Suburbs. Die Häuser und Wohnungen, die sie in der Stadt zurücklassen, werden von der aus dem Süden nachziehenden afro-amerikanischen Bevölkerung übernommen.
Ein Haus in der grünen Vorstadt war bis jetzt ein Privileg für die wohlhabende Schicht der Stadt. Doch durch die günstigen Kredite und einem großen Angebot von "Developements" wurde Suburbia für viele leistbar und das bevorzugte Siedlungsmodell in Nordamerika. Der Immobilienmarkt konzentriert sich nun vorwiegend nur mehr auf Neubauten in den Vorstädten und da der Bauboom in den Suburbs eine unendliche Quelle für den wirtschaftlichen Antrieb der Bauindustrie zu sein schien, wurde Suburbia, auch von öffentlicher Seite, zum Image für die Erfüllung des "American Dream" stilisiert.
Doch durch die Vormachtstellung der Suburbs verloren die Immobilien in der der Kernstadt stark an Wert. Mit Ende der 1950er brach Clevelands Industrie zusammen und die Mittelschicht verkaufte panikartig, nicht nur aus Angst vor dem fallenden Immobilienmarkt, ihren Besitz in der Stadt und zog in die Vororte. Ein anderer Grund für die Flucht der weißen Mittelklasse aus den Städten waren Vorurteile und ethnische Arroganz der weißen Bevölkerung gegenüber einer nachziehenden afro-amerikanischen Gesellschaft.
Das Phänomen des sog. "White Flight" hinterlässt eine sterbende Stadt mit sinkenden Steuereinnahmen, veralteter Infrastruktur, steigender Arbeitslosigkeit und mit vorwiegend afro-amerikanischer Bevölkerung
Angetrieben durch günstige Kredite für ein Haus in der Vorstadt und dem Ausbau des Interstate-Highway-Systems in den 1950ern, wurde das Suburbane Siedlungssystem die bevorzugte Wohnform in den USA. Durch das Leben in der Vorstadt änderten sich auch die Gewohnheiten der Bevölkerung. Die Entfernung zum Einkaufen in Downtown ist groß und die Suche nach Parkplätzen ist gleicht einem Glücksspiel. Immer mehr Betriebe und Geschäfte ziehen ihren Kunden in die Suburbs nach, und bieten ihnen gute Erreichbarkeit und Parkplätze vor neuen und modernen Geschäften. Downtown hat seine Stellung als Einkaufs- und Versorgungszentrum verloren.
Schon ab den 1930ern entstehen in den Suburbs an verkehrsgünstigen Punkten Shoppingcenter. Aufgebaut nach dem Vorbild der typischen amerikanischen Main Street findet man hinter Parkplätzen eine Reihe von Geschäften und Restaurants. Das System wurde weiterentwickelt und immer größere Zentren wurden entwickelt, die den Kunden neue Attraktionen bieten.
Die "Malls" sollten nicht nur als Versorgungsstation für die nötigen Einkäufe dienen. Das Angebot eines vorgespielten städtischen Umfeld sollte den Besucher dazu animieren, mehr Zeit zu aufzubringen und mehr Geld auszugeben. 1952 errichtet Victor Gruen in Southfield, Michigan, einem Vorort von Detroit das "Northland Center". Man sollte nicht mehr nur einkaufen gehen, es wird dem Bewohner von Suburbia ein Zentrum nach Vorbild einer europäischen Innenstadt geboten.
Victor Gruen konnte den Suburbanismus der 1950er und den fehlenden Sinn für Gemeinschaft nicht viel abgewinnen. Er vermisste einen öffentlichen Platz, an dem sich die Bewohner treffen, einen Ort, wo man mit anderen seine Zeit verbringen konnte. Gruens Vision war eine Verdichtung der Masse innerhalb der suburbanen Wohnbebauung, eine "Mall", die innerstädtische Funktionen enthält, wie Cafés, kulturelle Veranstaltungen, Möglichkeit seine Freizeit zu verbringen. 1956 verpackt er zum ersten Mal sein Konzept von einem Shoppingcenter in ein einziges Gebäude. Das "Southdale Center" in Edina, Minnesota, einem Vorort von Minneapolis, bot dem Besucher neben Geschäften auch eine Schule, ein Auditorium und einen Eislaufplatz und das alles klimatisiert.
Gruens Ideen für Shopping Malls wurden zum Vorreiter der u.s. amerikanische Konsumkultur. Überdachte Einkaufszentren schossen in Suburbia aus dem Boden. Immer mehr öffentliche Einrichtungen wurden integriert, immer mehr Attraktionen wurden geboten. Durch das neue Modell der Mall verlor die Kernstadt ihre letzte wichtige Rolle für die Suburbs. Das gesellschaftliche und soziale Leben spielte sich nicht mehr in den Theatern, Kinos, Diners und Restaurants der Innenstadt ab, sondern verlagerte sich nach außen in die klimatisierten Glitzertempel an den Kreuzungen der Freeways und Turnpikes.
Randall Park Mall in North Randall, einem kleinen Vorort von Cleveland, war eine dieser neuen Megacenter. Bei der Eröffnung 1976 sollte das neue "Super Regional Center" die größte Mall in den Vereinigten Staaten sein. Man wollte nicht nur ein Shoppingcenter, sonder eine "City in the City", einen Ort für Veranstaltungen, Theater, Kunst und Einkaufen. Alles, das man bis jetzt kennt, wollte man in den Schatten stellen. Die Lage des Bauplatzes schien erfolgsversprechend. Die angrenzende Warrensville Center Road verbindet den Randall Park mit den kaufkräftigen östlichen Suburb, die Miles Avenue bringt Kunden aus den äußeren Stadtgebieten von Cleveland und gleich nebenan befindet sich eine große Pferderennbahn.
In den ersten Jahren boomte das Center. Das neue und große Angebot lockte Besucher aus allen Teilen der Umgebung an. Ein großer Teil der Kunden stammte aus den wohlhabenden Suburbs Shaker Heights, Cleveland Heights, Beachwood, Orange und aus den angrenzenden Arbeitervierteln von Cleveland.
1978, dem Eröffnungsjahr des Randall Parks, war Cleveland als erste Stadt in den USA nach der Großen Depression der 1930er bankrott und musste sich einer weiteren großen Abwanderungswelle stellen. In den äußeren Vierteln des Stadtgebietes von Clevelands trat eine erneute Welle des sogenannten "White Flight" ein. Ein großer Teil der Arbeiterklasse, die die typischen slawischen Vierteln von Cleveland bewohnten, wanderten auf der Suche nach besseren Schulen, besserer Infrastruktur und vor allem einer sichereren Nachbarschaft in die neuen Vororte, die weit außen am Rand der urbanen Siedlungsstruktur entstehen, ab. Durch die schlechte wirtschaftliche Lage steigt auch die Kriminalität der Stadt. Immer mehr Jugendliche schließen sich Gangs an. Die Kriminalität breitet sich auch auf die äußeren Viertel von Cleveland aus und erreicht schließlich Randall Park. Überfälle kamen immer öfter vor und schreckten die Kunden ab.
Auch die Konkurrenz durch andere Shoppingcenter wurde immer größer Ältere Malls wurden renoviert und attraktiver gestaltet und mit Beachwood erhielten die östlichen Suburbs ein Einkaufszentrum für die gehobenere Gesellschaftsschicht.
Heute steht Randall Park Mall zum Großteil leer. Die unendlich scheinende asphaltierte Parkfläche, die das Shoppingcenter umgibt, ist aufgeplatzt und voll von Schlaglöchern. Im Inneren der Mall erinnern trockene Brunnen, aufgeschlitzte Sitzbänke und leere Schaufenster an bessere Zeiten. Die Leere im Inneren der Mall scheint wie ein Paradoxon. Die Gänge sollten voll sein von Mütter mit Einkaufstaschen, Kindern mit Popcorn, dem Plätschern der Brunnen und dem Geruch von Hot Dogs aus dem "Food Court". Stadtdessen ist es in den Gängen der "City in a City" ungewöhnlich still. Die City ist weitergezogen, weiter nach außen, in die neuen Malls der neuen Vororte.